Reisebericht: Von Whitehorse nach Dawson im Kanu
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11. Juli 2001, 9.Tag: Ein ganz gewöhnlicher Tag, wie wir denken, doch alles kommt irgendwie anders. Der Yukon ist in diesem Bereich an vielen Stellen schon sehr weitläuig, mit unzähligen Inseln versehen, aber immer noch mit hoher Strömungsgeschwindigkeit. An einigen Stellen schätze ich die Breite auf fast 2 km, wobei es wegen der zahlreichen Inseln kaum möglich ist, von der einen Seite die gegenüberliegende zu sehen. Gegen Nachmittag sehen wir relativ weit entfernt auf einer dieser zahllosen Inseln den einen der beiden Floßfahrer winken. Auf dem Yukon ist es nichts Besonderes, jemanden zu grüßen, wenn man dann schon mal jemanden trifft, so denken wir uns anfänglich nichts dabei. Die Tatsache, dass er aber weiter winkt und wir zusätzlich das Floß nicht sehen können, überzeugt uns schnell, dass irgendetwas nicht stimmen kann. Mit aller Gewalt drehen wir unsere Bootsspitze in die Strömung und versuchen so, ohne viel Höhe zu verlieren, zu ihm zu gelangen. Im Strömungsschatten einer anderen Insel können wir sogar wieder etwas Höhe gewinnen, obwohl wir schon fast an ihm vorbeigetrieben sind. Letztendlich gelingt es uns, etwa 20 Meter unterhalb von ihm an der Insel anzulegen.

Schnell wird uns die Situation geschildert: Er und seine Feundin wollten den Yukon mit ihrem selbstgebauten Floß bis Alaska befahren. Als sie mal nicht aufgepasst haben ist der Mast des Floßes an einem überhängenden umgekippten Baum hängen geblieben und er ist dabei vom Floß gerutscht. Seine Freundin konnte sich am Floß festhalten. Da man ein Floß alleine jedoch nicht steuern kann weiß er nicht, was mit ihr ist. Sie weiß auf der anderen Seite vermutlich auch nicht, ob er es geschafft hat irgendwo an Land zu kommen, oder evtl. sogar ertrunken ist.

Nach kurzem Überlegen beschließen wir, dass er sich flach auf unser Gepäck in die Mitte des Kanus legen soll, um den Schwerpunkt tief zu halten. Wir wollen so versuchen, seine Freundin einzuholen, obwohl sie etwa eine Stunde Vorsprung hat.

Etwa 10 Minuten später kommt für alle die Erleichterung. Seine Freundin steht schreiend auf einer flachen Kiesinsel. Wir können die Erleichterung in ihrem Gesicht sehen, als sie realisiert, dass auf dem herannahenden Kanu ihr Freund liegt. Sie hat sich mit dem nötigsten Gepäck mit Hilfe eines Sprunges ins Wasser begeben und konnte zu einer der zahllosen Insel schwimmen.

Nachdem wir uns alle etwas beruhigt und gesammelt haben, machen wir eine Bestandsaufnahme der verbleibenden Ausrüstung und überlegen uns einen Plan: Das Zelt und zwei Schlafsäcke hat sie gerettet, in unserem Boot können wir die beiden definitiv nicht mitnehmen, also geben wir ihnen einen unserer beiden Töpfe, sowie 2kg Reis, die wir über haben. (Reis und Nudeln hatten wir vorsichtshalber in sehr ausreichender Mengen eingekauft.) Anschließend markieren wir den Standort in unserer Karte und notieren die Koordinaten (N62° 42,104'; W137° 15,219'), wir beide machen uns wieder auf den Weg. Im ungünstigsten Fall kann es bis Dawson dauern, ehe wir Hilfe schicken können. Von unserem Standort sind das allerdings mindestens 4-5 Tage. Die Nahrungsmittel sind zwar nicht abwechselungsreich, aber ausreichend. Eine kleine Hoffnung setzen wir allerdings auf Fort Selkirk. Dieses ehemalige Fort solle laut unserem Tourbuch im Sommer bewohnt sein. Wir beschließen also, an diesem Tag mindestens noch bis zum Fort zu paddeln .

Glück im Unglück: Schon nach zwei Stunden Paddeln trauen wir unseren Augen kaum, als wir ein kleines Motorboot sehen. Schnell änderen wir unseren Kurs und steueren das Motorboot an. Zum Glück nimmt der Fahrer unser SOS Zeichen und anschließendes wüstes Winken war und dreht ebenfalls bei. Wir können ihm die genaue Position der beiden Floßfahrer zeigen und er verspricht uns, sie zu bergen. So setzen wir unsere Tour wesentlich beruhigter fort.



Fort Selkirk ist, wie im Buch beschrieben, bewohnt. Eine ältere Indianerin führt in den Sommermonaten Paddler durch die alte Stadt und erzählt Geschichten aus ihrer Jugend, die sie dort erlebt hat. Zusätzlich befinden sich ausnahmsweise zwei Arbeiter dort, die die alten und verlassenen Gebäude renovieren. Diese haben ein Motorboot, und als das beschädigte Floß mit dem Gepäck der beiden Floßfahrer kurz vor unserer Ankunft vorbei treibt, fahren sie raus und sammeln alles ein, befestigten das Floß weiter unterhalb am Ufer und benachrichtigen die Polizei in Dawson über Funk.

Über Funk informieren auch die Motorbootfahrer Fort Selkirk, ebenso wird Entwarnung nach Dawson gegeben und die Floßfahrer erfahren, dass ihre Sachen eingesammelt wurden. Sie können am nächsten Tag mit Hilfe des Motorbootes fast ihre vollständige Ausrüstung - inclusive Gitarre - abholen. Lediglich eine Lebensmittelkiste und ein Klamottensack bleiben verschollen.


Die Reste des Floßes!

(Nach unseren letzten Informationen haben sie übrigens das Floß wieder fit gemacht und ihre Tour fortgesetzt.)
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